3D-gedruckte textile Skulpturen

Von der Kunst auf den Laufsteg: Tragbare Skulpturen zwischen Alltag und Bühne

Die 3D-gedruckte Kollektion, die 2024 für die Modenschau Mode mit Steel entstanden ist, versteht sich als Weiterentwicklung meiner textilkünstlerischen Praxis. Die Kleidungsstücke sind 3D-gedruckte textile Skulpturen mit performativem Potenzial – tragbare Objekte, die sich erst im Zusammenspiel mit dem Körper entfalten. Sie knüpfen an meine bisherigen Arbeiten mit 3D-gedruckten Kostümen an, greifen deren Materialien und digitale Entwurfslogik auf, lösen sich aber aus dem Kontext des Kostümbilds und treten in den Alltag – als textile Skulpturen an der Schwelle zwischen Sichtbarkeit, Intimität und Öffentlichkeit. Die Werkgruppe erkundet, wie sich 3D-gedruckte textile Skulpturen gestalten lassen, die jenseits des Theaterkontexts funktionieren – und im Setting einer Modenschau neue Fragen an Tragbarkeit, Rezeption und Selbstverortung stellen.

Modenschau von Yvonne Dicketmüller mit 3D-gedruckten textilen Skulpturen, fotografiert von Adam Glagla – eine junge Frau in weiß-schwarz gemustertem Kleid auf dem Laufsteg.

Zwischen CAD und Cut: Skulpturale Präzision aus Code und Handarbeit

In einem digital-analogen Entwurfsprozess entstehen 3D-gedruckte textile Skulpturen: Ich entwickle die Strukturen mit CAD-Software und parametrischen Algorithmen in Grasshopper – ergänzt durch manuelle Eingriffe direkt im digitalen Modell. Punkte werden verschoben, Raster angepasst, Flächen gezielt verdichtet oder geöffnet, etwa um bestimmte Partien blickdicht zu halten oder textile Rhythmen zu erzeugen. Ich drucke meine Skulpturen mit flexiblem TPU-Filament. Nach dem Druck füge ich die Module händisch zu tragbaren Formen zusammen. Grundlage der Schnitte sind Burda-Vorlagen – ein bewusster Bezug zu alltagstauglicher, zugänglicher und vor allem weiblich konnotierter Kleidungspraxis. So verbinden sich algorithmische Struktur, handwerklicher Eingriff und feministisch codierte Textilkultur zu einer skulpturalen Praxis, die digitale Präzision mit körpernaher Materialität verwebt.

Vier Models präsentieren 3D-gedruckte textile Skulpturen von Yvonne Dicketmüller auf dem Laufsteg bei Mode mit Steel 2024.

3D-gedruckte textile Skulpturen – Materialästhetik der Wiederverwendung

Am Anfang der Arbeit an den Skulpturen standen keine Skizzen, sondern zwei Kisten voller Filamentreste aus früheren Projekten sowie 3D-gedruckte Stoffsamples, die darauf warteten, zum Einsatz zu kommen – Material mit Geschichte. Statt neues Material zu beschaffen, habe ich bewusst mit dem gearbeitet, was mein Atelier hergab. Dieses Prinzip zieht sich durch meine gesamte textilkünstlerische Praxis: Ich entwickle neue Arbeiten oft aus dem Material vergangener Projekte – ein zirkulärer Prozess, der ästhetische, technische und biografische Spuren miteinander verwebt. 

Für die Kollektion, die ich bei Mode mit Steel präsentiert habe, bedeutet dieser Prozess, dass sie über Material, Farbe, Arbeitsprozess und Muster ganz eng an die Werkgruppe der 3D-gedruckten Kostüme heranrückt. An die Werkgruppe also, die den 3D-gedruckten Skulpturen vorausging. Auch darin zeigt sich mein Verständnis von Textilkunst: als kontaminierte, prozessorientierte Form, die nicht auf Reinheit oder Perfektion zielt, sondern auf Verbindung.

Models präsentieren 3D-gedruckte textile Skulpturen auf dem Laufsteg der Modenschau „Mode mit Steel“ – im Vordergrund ein asymmetrischer Body mit strukturierter Oberflächenoptik, kombiniert mit einem Rock aus filigranen Netzstrukturen

3D-gedruckte textile Skulpturen auf dem Laufsteg

Bei der Modenschau wurde sichtbar, was die Werkgruppe der Skulpturen prägt: Die 3D-gedruckten textilen Skulpturen tragen Haltung – jenseits klarer Zuordnungen zwischen Alltagskleidung und Kunstobjekt, zwischen Performance und Alltag. Genau darin liegt ihre Wirkung: als textile Präsenz, die sich in Bewegung positioniert. In einem Beitrag der WDR Lokalzeit wird die Verbindung aus 3D-gedrucktem Material, handwerklicher Präzision und alltagstauglicher Form betont – eine Kollektion zwischen Textilkunst, Mode und Performance.

📺 WDR Lokalzeit Dortmund vom 13.09.2024

Reporterin Sonja Gerhardt auf der Henrichshütte zu „Mode mit Steel“
Zum Beitrag in der Mediathek (ab Minute 19:25)
Verfügbar bis 13.09.2026 | Dauer: 10:03 Min.

3D-gedruckte textile Skulpturen stehen im Zentrum dieser Fashion-Fotografie: Drei Frauen posieren in einer Industriehalle mit Smartphones für Selfies – fotografiert von Adam Glagla.

Vom Laufsteg ins Bild

3D-gedruckte textile Skulpturen aus modefotografischer Perspektive

Nachdem ich meine textilen Skulpturen bei Mode mit Steel als Fashion-Objekte auf dem Laufsteg präsentiert hatte, hat es mich im nächsten Schritt gereizt, die Modeschiene weiter auszuloten. Vor allem hat mich der Bereich der Fashion-Fotografie interessiert – zum einen, weil die Fotografie in der Mode eine zentrale Rolle spielt, zum anderen, weil sie als zeitfixierendes Medium ganz neue Anforderungen an meine textilen Skulpturen stellt: Die Kollektion, mit ihren Wurzeln im Kostümbild, war immer dazu gedacht, am Körper und in der Bewegung ihre volle Wirkung zu entfalten.

Wie aber würden sich meine 3D-gedruckten textilen Skulpturen vor der Kamera behaupten? Eingefroren in der Bewegung, interpretiert durch den Blick unterschiedlicher Fotografen? Fotografen, die mit einem dezidiert modefotografischen Blick auf die Objekte schauen, sie als Mode verstehen, sie als Mode inszenieren – nicht als Textilkunst.

3D-gedruckte textile Skulpturen von Yvonne Dicketmüller an einem Modell

Modeästhetik und bildnerische Verdichtung

Im fotografischen Setting treten meine 3D-gedruckten textilen Skulpturen in einen neuen Dialog mit Raum, Licht und Körper. Während auf dem Laufsteg Bewegung, Nähe und Kontext dominieren, verlangt das fotografische Bild nach Konzentration, Komposition und zeitlicher Verdichtung. Für mich bedeutet das: Die Skulpturen müssen nicht nur tragbar, sondern auch bildfähig sein – sie müssen in einem einzigen Bild ihre Vielschichtigkeit behaupten.

In der Zusammenarbeit mit zwei Fotografen sind Aufnahmen entstanden, die diesen Anspruch einlösen: Sie inszenieren die Skulpturen mit den Mitteln der Modeästhetik. Die Fotografie wird so zum Medium der Übersetzung – von Körper in Bild, von Moment in Form.

Zwei Models tragen 3D-gedruckte textile Skulpturen. Sie sitzen auf einer Bank in einer leeren Halle.

Studioaufnahmen von Günter Scholten

In einer gemeinsamen Arbeit mit dem Modefotografen Günter Scholten sind Studioaufnahmen meiner 3D-gedruckten Kleidungsstücke entstanden – in Schwarz-Weiß, fokussiert auf Struktur, Form und Oberfläche.

Die Serie zeigt die Stücke als skulpturale Körperhüllen – jenseits von Bühne und Laufsteg. Keine Pose, kein Styling: Nur Material, Körper, Licht.

Die Aufnahmen setzen einen Kontrapunkt zur Performance-Ästhetik der Modenschau – und erweitern meine Praxis um eine fotografische Lesart zwischen Textil, Skulptur und Modeobjekt.

Fotogalerie: Modefotografie von Günter Scholten

Editorial Fashion-Fotografie mit Adam Glagla

Die Fotoserie von Adam Glagla zeigt meine 3D-gedruckten textilen Skulpturen im urbanen Raum – getragen, bewegt, performt. Statt Pose und Studiolicht: reale Orte, wechselndes Licht, spontane Kamera. Die Aufnahmen rücken meine Skulpturen näher an modische Bildästhetiken, ohne ihren skulpturalen Charakter aufzugeben.

Sie setzen die Tragbarkeit meiner Arbeiten in Szene – als textilkünstlerische Statements, die sich zwischen Laufsteg und Straße positionieren.

Fotogalerie: Fashion-Fotografie von Adam Glagla

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